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(c) Wolf Bendikowski
Eine Geistergeschichte

Ich bin kein Geist.

Ich lebe.

Ich kann sie noch immer hören. Den Priester, vor meinem Grabstein meiner guten Seiten gedenkend, mit dem grässlichen Kreuz auf der Kutte. Die "Trauernden", wie sie tuscheln über seine Lügen. Ich hatte keine gute Seiten - habe keine! Sie alle haben mich gehasst. Der Priester vielleicht noch am wenigsten, dabei war er es, der mein Todesurteil sprach, als ich dort stand, auf dem Schaffott, eine stahlglänzende Zukunft vor Augen. Jetzt lügt er das Blaue vom Himmel, als müsste er selbst das Fegefeuer schüren. Recht so! Ich wäre geläutert, auf den rechten Pfad zum Herrgott zurückgeführt worden. Ich hätte viel falsch gemacht, doch Gott, der Vergebende, liebe alle seine Schäfchen.
Ich war Schlachter. Es gab nichts schöneres für mich als den Geruch von frischem Blut und das Gefühl von warmem Fleisch, direkt auf der Haut, wie es langsam erkaltet. Die Leute respektierten mich, weil ich mich für diese Tätigkeit aufopferte, die ihnen zu schmutzig, zu widerlich war. Und sie dachten tatsächlich, ich würde es für sie tun. Oder für das Geld. Ehrlich gesagt weiß ich nicht mehr, was von beidem mich mehr abstieß. Die dummen, stinkenden und doch ewig selbstverliebten Menschen oder ihr sogenannter Reichtum, der für sie gleichsam ein Ersatz für Liebe wie ein Objekt der Begierde war, so bedeutend, dass Leben danach gewertet wurde. Für mich hatte es nie einen Wert. Meine Liebe galt stets dem Tod, schon als Kind, als ich meinen Vater am Apfelbaum sah, hatte ich ihm ein so glückliches Lächeln geschenkt wie nie zuvor. Es rührte mich direkt, so sehr, dass ich angefangen hatte zu weinen, als Mutter mich dort fand.
Mir wurde bald klar, dass man es nicht schön findet, wenn Menschen sterben. Etwas anderes galt für Ratten, Tauben und auch für Schweine. Meine Liebe zum Tod war größer als mein Hass auf das Leben. Daher nahm ich damit vorlieb, diese unschuldigen, unbedeutenden Existenzen auszulöschen. Etwas anderes war einem heranwachsenden Knaben auch gar nicht möglich. Doch was sollte später werden? Über lange Zeit ein kleines Vergnügen zu haben, war sehr viel erstrebenswerter, als sich an an dem Unerreichbaren zu versuchen und zu scheitern, das hatte ich schon in jenen jungen Jahren erkannt.
Zunächst ein Greuel war mir der sonntägliche Gottesdienst, jedoch nur, bis der Priester begann, vom Teufel zu predigen. Er verachte alles Leben, sein Beruf sei die Verführung und wenn man nur eines der göttlichen Gebote missachte, heiße er nach dem Tode den armen Sünder zur ewigen Verdammnis willkommen... fünftens: Du sollst nicht töten! In dem Moment wusste ich, ich hatte einen Freund gefunden. Mehr noch, einen Meister. Jemanden, an den ich mich für die Ewigkeit binden konnte. Von da an lauschte ich allen Vorschriften des Priesters, um auch keine ungebrochen zu lassen. Meine neu erwachte Aufmerksamkeit wurde von allen Seiten mit Lob bedacht, besonders Mutter und ihr Freier waren stolz auf ihren kleinen Schlachtergesellen.
Von Stund an vergoss ich nur noch Blut in Seinem Namen, mit Seinem Segen. Ich betete jede Nacht zu Ihm. Satan beherrschte all mein Denken und all mein Tun. Wenn ich ein Schwein aus der Kobe zerrte, anband und aufschlitzte, es ausweidete, Blut, Kot und Urin die Straße hinunterkehrte, tat ich es mit Stolz und in dem Wissen, richtig zu handeln. Ich tat es für meine Sache. Gegen diese Welt und ihre elenden Bewohner. Gegen das Kreuz und seine Diener. Gegen Gott. Welch eine Schande, dachte ich mir einmal, dass ich diesen Pfad alleine gehen muss. In der Kirche sagen sie immer, Satan wäre Gottes gleichberechtigter Gegenspieler. Warum hat er dann keine eigene Religion? Satan ist der Grösste! Ich werde ihm helfen, seine Schlacht zu schlagen. Ich werde ein Heer aufstellen, das diese Christenhunde zerschmettern wird!
Dieser Plan hat mich zum Geächteten gemacht und schließlich aufs Schaffott gebracht, er und einige geschwätzige Weiber, die dem Priester einen besonders schweren Fall von Ketzerei beichteten. Die Inquisition hatte es leicht mit mir, denn wozu sollte ich lügen? Ich hatte kaum etwas zu verlieren, ich wünschte lediglich, ich hätte noch ein paar mehr Schweine geopfert und ein paar mehr Jünger bekehrt, bevor man mich die Pforte zur Hölle hinabstößt. Was solls, die Predigt bei meiner Hinrichtung und mein Auftritt werden ihr übriges tun, die neue Religion zu verbreiten. Satan und ich werden einiges zu lachen haben. Dachte ich.
Und vielleicht wäre es auch so gekommen, wäre dieser verfluchte Priester nicht gewesen. Alles lief gut, meine gevierteilten Reste wurden zu Grabe getragen und ich wartete schon ungeduldig darauf, zur Hölle fahren zu dürfen, als er unter einem Schwall von Lügen dieses Körnchen Wahrheit ausspuckte, das mich auf ewig hier fesseln sollte.

Ja, ich höre es noch genau. Dumpf wie durch eine schwere Tür, dennoch deutlich dringen seine Worte an mein Ohr: Lasset uns beten für diese arme Seele, die wir einst so unüberlegt dem Herrn versprachen, als wir sie mit geweihtem Wasser reinwuschen von Sünde und Schuld, die soviel Unrechtes tat auf ihrem Weg durch das Leben, dass wir sie läutern mussten mit dem kalten Stahl, lasset uns beten, dass sie auf Seinen Weg zurückfand, bevor sich ihr das Tor zur Reue schloss, das ihr das einst gegebene Versprechen allzeit offenhalten sollte, möge sie auf den Schwingen Deiner Liebe zurückfliegen in Deine offenen Arme, denen sie entsprang, denn Dein ist das Reich und die Macht und die Herrlichkeit in Ewigkeit. Amen. So sprach er, doch ich spüre keine Reue, keine Schwingen, keine Liebe. Nicht einmal Schmerz spüre ich! Ich bewege mich weiter durch diese Welt, immerfort im Schatten, durch Nebelschleier schreie ich sie an: Heil Satan! und spüre die Worte gleichzeitig verklingen, wie alle meine Spuren verwischen, mehr und mehr mit jedem Schritt, den ich tue, weiter fort von der Erlösung, auf irren, kalten Wegen ohne Halt, weiter und weiter ohne Ziel, sehe statt der Menschen Augen durch die Schlieren meines Sarges, schwarze Schemen, sich verlierend in mir, nur ein Flüstern hallt zurück vom nebligen, jenseitigen Kalt: heil satan, in ewigkeit...

ENDE
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